Über mich und diese Seite

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Wie ich zur Wollust gekommen bin

Prolog:

Oft wird mir die Frage gestellt, wie es kommt, dass ein Mann stricken kann. So ganz gewöhnlich ist das ja wirklich nicht, und die wenigen meiner Art die dies ebenfalls können, tun dies eher im Verborgenen, mit etwas Scham behaftet, wenn es zur Sprache kommt.
Ich möchte mich bezüglich meiner Gelüste und Vorlieben aber nun in aller Öffentlichkeit outen und hier einmal kurz beschreiben, wie ich zu diesem Hobby kam. 

Die Anfänge

Als ich das Licht der Welt erblickte, waren die ersten drei Menschen gerade auf dem Weg zum Mond, vielleicht auf der Flucht vor mir. Wenige Tage vor deren Landung auf unserem Trabanten machte ich meinen ersten Atemzug und schrie das Krankenhaus zusammen. Wer nun in geschichtlichen Themen halbwegs fit ist, wird feststellen, dass ich Baujahr 1969 bin.

Die ersten Erfahrungen mit Stricknadeln und Wolle machte ich seinerzeit in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Grundschule. Damals war es noch üblich, dass auch die Jungen Handarbeitstechniken wie Nähen, Stricken und Häkeln lernen mussten. Besonders kreativ war das damals noch nicht. Ich weiß nur noch, dass wir Woche um Woche an einem Stück strickten …. rechte Maschen … linke Maschen … das Stück wurde später zusammengefaltet, zusammengenäht und ausgestopft. Mit einer Häkelnadel befestigten wir Wollschlaufen, stickten ein Gesicht darauf und fertig war ein Löwe.

Mit der Häkelnadel machten wir einen Wandbehang, an den ich mich kaum noch erinnern kann. Ich glaube, er lebte auch nicht lange. Den Löwen allerdings hatte ich viele Jahre an meiner Seite im Bett liegen.

Andere Tätigkeiten wie Makramee und Nähen gehörten auch zu unseren Bildungsinhalten. Davon ist im Langzeitgedächtnis aber leider sehr wenig übrig geblieben bei mir.

Obwohl mir das Handarbeiten in der Schule schon immer viel Spaß gemacht hat (im Gegensatz zu Diktat schreiben oder Sport), verfolge ich damals diese Fertigkeiten nicht weiter und so nach und nach geriet es in Vergessenheit. Wir befinden uns inzwischen so in der ersten Hälfte der 80er Jahre übrigens.

Der Relaunch:

Jahre Später zog es mich zum Studium nach Freiburg. In den Vorlesungen fiel mir auf, dass sehr viele, wenn nicht sogar die meisten der Kommilitoninnen während der Vorlesung strickten. Zumeist Socken oder Babykleidung, aber auch größere Werke wurden Tag für Tag in den Hörsaal geschleppt. Es gab sogar Professoren, die es begrüßten, wenn währen seiner Vorlesung gestrickt wurde, da dies wohl die Aufmerksamkeit und Konzentration fördere und das Lernen so fast nebenbei erfolgt. Wir befinden uns hier übrigens in den frühen 90er Jahren.

Anfänglich wirkte das Stricken in den Vorlesungen etwas befremdlich. Hat man nicht in der Schule eingetrichtert bekommen, dass man sich auf den Lernstoff im Unterricht konzentrieren soll und es nicht geduldet wird, wenn man nebenher noch andere Dinge tut? Plötzlich war das, was zuvor für so manches Nachsitzen und für so manche Strafarbeit sorgte, „normal“ und keiner störte sich mehr daran.

Es fing an, mich wieder zu reizen … da war doch mal was vor vielen vielen Jahren … In einer Bibliothek fand ich durch Zufall zu dieser Zeit ein Buch, welches das Stricken als solches von Grunde auf zeigte und auch das Stricken von Socken wurde darinnen beschrieben. Es war noch eine Zeit, als Youtube, Google und Co noch nicht einmal in in den Gedanken existierten und man zur Wissensaneignung noch den Weg in eine öffentliche Bücherei manchen musste. In einem Kaufhaus (so was gab es damals auch noch) besorgte ich mir, trotz chronisch knapper Studentenkasse eines Tages Sockenwolle und einen Satz Stricknadeln … und an einem heißen Sommerabend ging es los.

Die Grundtechniken kamen schnell wieder … und schnell bemerkte ich auch, dass das Erstellen von Socken grundsätzlich auch kein Hexenwerk war. Anhand der abgedruckten Größentabelle ermittelte ich die Zahl der notwendigen Maschen und schon ging es los … war eigentlich einfacher als ich dachte. Nur, wie es ein Prototyp oft so an sich hat, ging vieles Schief dabei. Vor allem waren die Sochen viel zu groß … seit diesem Zeitpunkt ist meine Devise: vertraue nie eine Größentabelle.

Aber schon das zweite Paar war deutlich gelungener, gefolgt von einem dritten, vierten … und so weiter. Anfänglich waren es nur Socken, die ich strickte, und es machte großen Spaß. Wenn man die erste anstrengende und schmerzhafte Zeit hinter sich gebracht hat, hat der Vorgang des Strickens durchaus etwas entspannendes. Mann kann neben her dem Fernseher oder Radio lauschen, ein Hörbuch hören, sich unterhalten oder einfach nur die Ruhe und die fast schon meditativen, immer gleichen Bewegungen genießen. Auf den Winter war ich nun vorbereitet …. und im Jahr darauf gab es für alle in der Familie zu Weihnachten selbst gestrickte Socken von mir.

In der Vorlesung zu stricken traute ich mich allerdings nicht … aber als ich eines Tages an einem Sonntag von einem Besucht zu Hause mit dem Zug zurück nach Freiburg fuhr, gönnte ich mir ein Vergnügen. Ich saß in einem Abteil zusammen mit fünf jungen Frauen, vermutlich alles Studentinnen. Alle fünf saßen da und strickten währen der Fahrt während sie sich angeregt unterhielten. Ich überlegte eine kurze Weile, dann griff ich in meinen Rucksack und holte abermals mein Strickzeug heraus und beschäftigte mich mit meiner aktuellen Arbeit. Den Augenblick werde ich wohl nie vergessen. Fünf Blicke trafen mich, eine Mischung aus Unglauben und Beschämt. Sobald ich aufblickte sah ich stets nur noch, wie sich die Blicke schnell wegdrehten. UND … es war schlagartig total ruhig im Abteil. …. Dies war mein erster öffentlicher Auftritt als strickender Mann …. In einem D-Zug (kennt heute auch kaum noch einer) von Basel nach Freiburg ….

Ich hatte ein neues Hobby gefunden …. 

Die Steigerung:

Die Zeit ging ins Land und während der Jahre an der Hochschule entstand noch so manches Paar Wollsocken aus eigener Produktion. In Spitzenzeiten (wenn ich mich entschieden hätte bestimmte Vorlesungen nur noch selektiv zu besuchen und ein entsprechendes Kontingent an Freizeit hätte) schaffte ich 2 bis 3 Paar pro Woche… Aber danach müssten sich auch meine Finger regelmäßig erst wieder erholen. 
Pedantisch wie ich nun mal bin, habe ich mir immer genau aufgeschrieben, wie ich die Socken gestrickt hatte. Zum Einen als Gedächtnisstütze, zum Anderen aber auch um die Werte für die Zukunft immer parat zu haben. So weiß ich, dass ich zwischen 1994 und 2008 insgesamt 21 Paar Socken gestrickt habe … Der Winter macht mir keine Angst mehr. Leider habe ich von all diesen Socken keinerlei Bilder mehr … das ist schade. Meine Werke im Bild zu dokumentieren kehrte erst später bei mir ein … so dass diese Erinnerung nur in mir weiter lebt.
Irgendwann waren mir nur noch Socken nicht mehr genug, und es muss so ca. 2002/2003 gewesen sein, als ich mir ein neues Projekt vorgenommen habe … es sollte ein Pullover werden. Ein Einkaufsbummel eines Tages in Villingen-Schwenningen brachte mir den recht spontanen Entschluss. Ein Drogeriemarkt, welcher auch Handarbeitsartikel führt(e), sollte es sein. Eigentlich wollte ich mal wieder eine neue Wolle für Socken sein … nur war die Auswahl zu dieser Zeit an den schönen, bunten, in mehreren Farben gehaltenen Wolle recht dünn gesäht und so richtig gefiel mir keine. Es sollte halt nicht sein, und so wanderte eine ziemliche Menge Sockenwolle in grau und blau in meine Einkaufstasche … ich konnte die Menge zu dem Zeitpunkt ja nur schätzen und kaufte lieber ein paar Knäul mehr ein … sicher ist sicher. Für mich zu diesem Zeitpunkt ein Mega-Projekt … ich hatte keine Ahnung, ob ich den zu Lebzeiten noch fertig bekommen würde.
Und so begann ich … Masche für Masche, Runde für Runde … Maschenproben, Maß nehmen, einen passenden Pullover abgemessen … und im Internet recherchiert. Ja, inzwischen war das Internet eine de wichtigsten Informationsquellen für derartige Informationen. Zwar ging ich von Zeit zu Zeit auch noch in eine Bibliothek … aber da fand ich keine der Informationen, die mich weiter gebracht hätte.
Learning by doing … Do it youself … Irgendwann, nachdem ein großer Teil schon fertig gestellt war, verließ mich die Lust, ihn fertig zu stellen. Zum Einen meine ich, dass die Winter schon damals immer wärmer geworden sind, und so richtig Gelegenheit zum Tragen eines warmen Wollpullovers, gab es eigentlich kaum noch. Zum anderen brauchte ich auch mal  wieder ein Erfolgserlebnis, dass etwas fertig wurde. Und so landete ich wieder bei Socken … immer wieder Socken. Aber eines Tages war es dennoch so weit … ich hielt mein Werk stolz in den Händen … er war fertig, mein erster Pullover. Nicht perfekt, aber nach all den Jahren passte er dennoch noch immer. Ich hab wohl schon mit ausreichend Kalorienreserve damals geplant.
Und das war bzw. ist mein Prachtstück:

2003 begonnen – 2013 fertig gestellt

 Nein, so eine Wespentaille hab ich nicht. Der Pullover ist aber sehr elastisch.

Nun, so sollte es nun die nächsten Jahre weiter gehen. Freunde kamen, Freunde gingen, aber die Lust am Stricken blieb. Entstanden ist bis heute ein Berg von Socken … (inzwischen noch viel mehr) …

Ein Berg von Socken

… und eine Menge anderer Kleidungsstücke für den Kampf gegen die Kälte. Hier nur eine Auswahl:

Sammlung verschiedener Ergebnisse

Pullover sind es inzwischen fünf oder sechs geworden, wobei davon auch schon nicht mehr alle unter mir weilen. Daneben entstanden auch immer wieder Nicht-Kleidungsstücke wie eine Biene, Topflappen und anderes.

Vieles werde ich im Laufe der Zeit hier wohl noch vorstellen in den Posts. Die Vergangenheit aufzuarbeiten ist leider sehr anstrengend und zeitaufwendig. Ich verspreche aber, ab jetzt diesen Blog auf dem Laufenden zu halten … so lange ich eben dazu die Motivation habe.

Epilog:

Was noch kommen wird … keine Ahnung. Die Lust am Handarbeiten kommt immer wieder so in Wellen auf mich zu. Manchmal mache ich 4-5 Monate fast gar nichts, dann wieder jede freie Minute.
Viele Dinge, die ich schon hergestellt habe, habe ich verschenkt oder auch schon als Auftragsarbeit durchgeführt. Aktuell (wir schreiben das Jahr 2020) habe ich mehr Lust zum Häkeln als zum Stricken. Da entstehen gerade viele kleine Dinge wie Tiere, Lesezeichen, Topflappen und anderes. Aber auch die Stricknadeln kommen ab und zu zum Einsatz.
Auf jeden Fall ist stricken, häkeln und basteln eine hervorragende Methode zu entspannen und vom Alltag abzuschalten. Manchmal läuft nebenher der Fernseher, manchmal das Radio oder ein Hörbuch oder es herrscht einfach nur Stille. 
In diesem Blog werde ich so nach und nach sicher eine Menge meiner alten Arbeiten vorstellen. Ebenso will ich erläutern (eher bei aktuellen Projekten), wie ich es erstelle und vielleicht auch die Grundtechniken beschreiben. Das hat zwei Vorteile. Erstens, falls sich wirklich jemand hier her verirrt kann er vielleicht die eine oder Andere Information oder Anregung hier finden. Zweitens aber auch, um mir selber immer wieder eine Gedächtnisstütze zu sein um nachzulesen, wie ich dies oder das beim letzten Mal gemacht habe. Von daher ist dieser Blog eine Einladung an alle, die ihn finden, ihn zu nutzen, aber auch in absolut egozentrischer Absicht für mich selber erstellt.
Viel Spaß beim Lesen und Verfolgen.